In diesem Blogartikel schauen wir uns an, wie das Riemann-Thomann-Modell hilft, Teams und Gruppen besser zu verstehen – um daraus konkrete Impulse für die Zusammenarbeit abzuleiten.
Was steckt hinter dem Modell?
Das Riemann-Thomann-Modell geht auf die Psychologen Fritz Riemann und Christoph Thomann zurück. Schon in den 1960er-Jahren beschrieb Riemann vier gegensätzliche Pole, die Persönlichkeitsmuster prägen. Thomann griff diese Idee später auf, entwickelte sie weiter und formulierte vier Grundorientierungen oder Grundbedürfnisse: Nähe, Distanz, Dauer und Wechsel.
Jeder Mensch vereint alle vier Bestrebungen in sich – allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Daraus ergeben sich persönliche Vorlieben, Entscheidungsmuster und Kommunikationsstile. Wer versteht, welches Bedürfnis bei einem Menschen besonders stark ausgeprägt ist, kann dessen Verhalten besser einordnen.
Die vier Grundorientierungen im Überblick
- Nähe-Orientierung
Nähe-orientierte Menschen wünschen sich Bindung, Vertrauen und ein harmonisches Miteinander. Ihnen liegt viel an guten Beziehungen. Sie gelten als empathisch, hilfsbereit, teamfähig und gesellig.
- Distanz-Orientierung
Im Gegensatz dazu steht die Distanz-Orientierung: Hier zählt Unabhängigkeit. Menschen mit starkem Distanz-Bedürfnis wollen eigenständig denken und handeln, ohne sich vereinnahmen zu lassen. Sie legen Wert auf klare Grenzen und werden manchmal als kühl wahrgenommen, obwohl sie einfach nur Freiraum brauchen.
- Dauer-Orientierung
Dauer-orientierte Menschen schätzen klare Strukturen, Routine und Verlässlichkeit. Sie organisieren gern, halten an Bewährtem fest und sind sehr gewissenhaft. Für Wechsel-orientierte Kolleginnen und Kollegen wirken sie mitunter etwas festgefahren.
- Wechsel-Orientierung
Wechsel-Orientierung steht für Neugier, Abwechslung und Flexibilität. Wer hier zu Hause ist, liebt neue Ideen, probiert gerne aus und reagiert spontan. Von außen wirkt diese Energie manchmal unstrukturiert oder chaotisch.
Das Modell zeigt anschaulich, warum Menschen unterschiedlich „ticken“ – sowohl in ihren Beziehungen als auch in ihrem inneren Wohlbefinden. Je nachdem, welche Orientierung besonders stark ausgeprägt ist, spricht man vom sogenannten Heimatgebiet eines Menschen.
Relevanz für Teams
Nicht nur Einzelpersonen, auch Teams entwickeln eine kollektive Prägung – eine Art Team-Persönlichkeit. Diese entscheidet maßgeblich darüber, wie Aufgaben angegangen und Konflikte bewältigt werden.
Führungskräfte sollten sich mit dem Riemann-Thomann-Modell bewusst machen, mit welchen Orientierungen sie selbst in Resonanz gehen – und welche sie eher irritieren. Ein Distanz-orientierter Chef muss sich beispielsweise klarmachen, dass er Nähe-orientierte Mitarbeitende nicht automatisch weniger wertschätzen darf. Dieses Verständnis kann helfen, alle Teammitglieder gleichberechtigt zu fördern.

Das Modell unterscheidet vier typische Team-Mischungen:
- Nähe-Dauer-Teams – die Gemeinschaft: verbindlich, harmonisch, sehr zuverlässig
- Dauer-Distanz-Teams – die Truppe: strukturiert, sachorientiert, rollenbewusst
- Distanz-Wechsel-Teams – der Haufen: kreativ, unkonventionell, mitunter sprunghaft
- Nähe-Wechsel-Teams – das Team: lebendig, ideenreich, beziehungsorientiert
Welche Mischung dominiert, hängt stark von der Zusammensetzung ab – zwei Orientierungen setzen sich meist durch und prägen das Klima.
Führen nach Team-Persönlichkeit
Wer Teams führt, sollte sich fragen:
- Wo liegen die Stärken unserer Prägung?
- Welche Schwächen sollten wir im Blick behalten?
- Wie können wir Entwicklung gezielt fördern?
Ein Beispiel: In einem Distanz-orientierten Team lohnt es sich, den Zusammenhalt aktiv zu stärken. Umgekehrt sollten Nähe-orientierte Gruppen lernen, Ergebnisse und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.
Wichtig: Kein Team wird je allen Mitgliedern vollständig entsprechen. Gerade „exotische“ Persönlichkeiten können jedoch wertvolle Impulse geben – wenn sie integriert werden.
Mögliche Schattenseiten
Extreme Ausprägungen sind selten förderlich. Ein ausgewogenes Verhältnis aller vier Orientierungen hilft, Potenziale zu nutzen und Schwächen abzufedern. Jede Team-Persönlichkeit birgt Risiken:
- Nähe-Dauer-Teams vermeiden Konflikte zu sehr.
- Distanz-Dauer-Teams wirken unterkühlt und unpersönlich.
- Distanz-Wechsel-Teams zerfallen leicht in Einzelinteressen.
- Nähe-Wechsel-Teams verstricken sich in endlosen Diskussionen.
Wenn Aufgaben wechseln oder neue Herausforderungen anstehen, muss sich das „Heimatgebiet“ oft mitverändern – ein Prozess, der zwar anstrengend, aber auch chancenreich ist. Hier beginnt die Gruppendynamik.
- Was passiert, wenn die Teamzusammensetzung nicht zur Aufgabe passt?
- Warum tun wir uns oft schwer mit dem „Anderen“ oder „Fremden“ im Team?
- Wie lassen sich Unterschiede produktiv nutzen und Polarisierungen vermeiden?
Nutzen im Recruiting
Das Riemann-Thomann-Modell unterstützt Führungskräfte auch bei der Besetzung von Stellen:
- Welche Orientierungen fehlen dem Team noch?
- Welche Persönlichkeiten bringen frischen Wind oder Stabilität?
- Wo gibt es Lücken, wo besteht ein Überhang?
Ein Dauer-orientierter Kollege kann für mehr Ordnung sorgen, ein Wechsel-orientiertes Teammitglied treibt Innovation voran. Solche Überlegungen helfen, Teams gezielt weiterzuentwickeln.
Das Riemann-Thomann-Modell ist ein praktisches Werkzeug zur Analyse von menschlichem Verhalten, zur Verbesserung der Teamdynamik und Wertschätzung. Es hilft, die individuellen Grundorientierungen von Menschen zu erkennen und zu verstehen, was zu einer bewussteren Zusammenarbeit und Konfliktlösung beitragen kann.
Wer es nutzt, fördert ein Teamklima, das Vielfalt zulässt, Konflikte reduziert und Produktivität steigert.
Wenn Sie mehr darüber erfahren oder das Modell in Ihrem Team anwenden möchten, beraten wir Sie gern hier.